Inscriptio Mensis Iulii – Inschrift des Monats Juli

Der Juli ist tatsächlich nach Gaius Iulius Caesar benannt. Wie kam es dazu?

Jahrhunderte lang hatten die Römer (und auch andere Völker) versucht, einen Kalender zu berechnen, der mit dem Lauf der Erde um die Sonne zusammenpasste. Bis zu Caesars Zeit war es ihnen nicht gelungen.

Im Jahre 46 v. Chr. war Caesar der mächtigste Mann Roms, unter anderem war er auch der pontifex maximus, „der höchste Priester“. Als pontifex maximus war er zum Beispiel auch für die Festlegung von Festtagen zuständig.

Also setzte Caesar ein Team von Experten ein, das vor allem aus Astronomen und Mathematikern bestand. Diese sollten endlich Ordnung schaffen. Und das gelang ihnen auch: Sie errechneten den heute noch gültigen Kalender mit 365 Tagen im Jahr und einem Schalttag alle vier Jahre Ende Februar.

Iulius (Julius) Caesar zu Ehren wurde der neue Kalender julianischer Kalender genannt und der römische Senat beschloss Anfang 44 v. Chr., den Sommermonat, in dem der Herrscher Geburtstag hatte, nach ihm zu benennen. Vorher hatte der Monat einfach Quinctilis (= „der fünfte“) geheißen. Caesar erlebte seinen ersten Juli allerdings nicht mehr – er wurde 44. v. Chr. im März ermordet.

Die Inschrift des Monats findet man über der Kirchentür der katholischen Kirche St. Bonifatius in Rhauderfehn.

St Bonifatius lat

Eine Tafel neben der Eingangstür liefert praktischerweise auch gleich die deutsche Übersetzung mit:

St Bonifatius dt

Vielleicht kennt das der oder die eine oder andere Lateinschüler(in): Man läuft mit der Familie oder Bekannten durch eine Stadt oder besichtigt ein Gebäude, irgendwo gibt es eine lateinische Inschrift – und einer der Begleiter spricht die erwarteten Sätze:

„Was steht denn da? Du lernst doch Latein. Übersetz doch mal!“

Die berühmte „Übersetz-doch-mal“-Situation. Und nur in seltenen Fällen kann man erleichtert auf solch eine Tafel mit einer deutschen Übertragung verweisen.

Nachdem alle Versuche, diese Aufforderung zu ignorieren, gescheitert sind, versucht man es dann – und hat oft genug das Gefühl, das, was da steht, sei irgendwie gar kein Latein.

(Aber den Versuch, die Inschrift mit „Das ist gar kein Latein, glaube ich“ beiseitezuschieben, lässt der Begleiter normalerweise nicht durchgehen – denn Altgriechisch und Hebräisch haben andere Schriftzeichen und das, was ihm bekannt vorkommt, klingt schon irgendwie nach Latein – was sollte es denn auch sonst sein? – Eben. Und eine gewisse Ehre hat man als Lateinschüler(in) ja auch zu verteidigen, also…)

In der Tat ist das Inschriften-Übersetzen manchmal schwierig, jedenfalls schwieriger als das Übersetzen „richtiger“ Texte. Das liegt unter anderem daran, dass Inschriften oft – wohl auch aus Kostengründen, denn je größer die Steintafel und je umfangreicher die Steinmetzarbeiten, desto teurer – strotzen vor Abkürzungen und Ellipsen (zum Begriff Ellipse: siehe Inschrift des Monats Mai).

(Dazu stammen die Inschriften oft aus Zeiten, in denen kein ganz klassisches, an Cicero und eben Caesar orientiertes Latein gesprochen und geschrieben wurde, wie man es in der Schule lernt, sondern ein mit Besonderheiten versehenes Latein z.B. aus der Frühen Neuzeit. Ein ähnliches „Hä?“-Erlebnis kann man auch bei deutschen Texten aus früheren Zeiten haben – man lese nur z.B. mal die Original-Bibelübersetzung von Martin Luther oder alte Urkunden.)

Das alles macht es dem Inschriften-Übersetzer oft nicht leicht, das sei zu Verteidigung aller „Übersetz-doch-mal“-Kandidaten gesagt. Abkürzungen sind zudem oft so vieldeutig und individuell, dass manchmal wirklich Spezialwissen bei der Übersetzung notwendig ist.

(Im Falle eines Falles also auf dem Smartphone diese Seite aufrufen und die letzten drei Absätze zur Verteidigung vorlesen, wenn man in die „Übersetz-doch-mal“-Situation gerät und gar nichts mehr geht…)

Die Inschrift an der Kirche in Rhauderfehn ist da sehr leserfreundlich – kaum Abkürzungen. (Und damit allerdings auch keine Ausreden! – Aber die Übersetzung hängt ja ohnehin neben der Tür, sodass die klassische „Übersetz-doch-mal“-Situation nicht eintreten dürfte.)

Das S. vor Bonifacii bedeutet Sancti, also geht es um den Titel des „heiligen Bonifatius“. Das E. dahinter steht für Episcopi: „des heiligen Bischofs Bonifatius“. Das M. steht für Martyris: „des heiligen Bischofs und Märtyrers (=Blutzeugen) Bonifatius“.

Wenn man das herausgefunden hat, lässt einen die Ziffernreihe mit dem leicht aufzulösenden Sept. für den September und dem bereits aus der Inschrift des Monats Januar bekannten A.D. (anno domini = n. Chr.) überlegen lächeln (und erleichtert aufatmen).

Zur inhaltlichen Erklärung des M. – was ist denn mit „Blutzeuge“ gemeint? – noch kurz die wichtigsten Eckpunkte aus der Biographie des Bonifatius, des Namensgebers der Kirche:

673 wurde er als Winfrid in der englischen Grafschaft Wessex geboren. Mit 40 Jahren kam er nach ersten Einsätzen im damals noch nicht christianisierten Friesland als Missionar in den Osten des Frankenreiches. 718 pilgerte er nach Rom und erhielt dort im folgenden Jahr von Papst Gregor II. den Missionsauftrag für Germanien und den neuen Namen Bonifatius (auf deutsch: „der Wohltäter“, aus dem Lateinischen bonum facere = „Gutes tun“). Zum Missions-Bischof (Episcopus) wurde er 722 geweiht, 747 wurde er Bischof von Mainz. Er wirkte in Bayern, Franken, Hessen, Thüringen und Friesland. 754 oder 755 wurde er auf dem Weg zu einem Tauffest westfriesischer Christen in Dokkum (NL) zusammen mit seinen 51 Begleitern von Räubern und /oder heidnischen Gegnern der Mission erschlagen. Er starb also in der Ausübung seines Missionsdienstes als Märtyrer (Martyr).

Die bald nach seinem Tod einsetzende und lange Zeit regional begrenzte Verehrung als Heiliger (Sanctus) wurde 1855 im Jubiläumsjahr 1100 Jahre nach seinem Tod für die gesamte katholische Kirche von Papst Pius IX. genehmigt – zwei Jahre nach der Weihe dieser Kirche und 24 Jahre nach der Gründung der katholischen Gemeinde St. Bonifatius in Rhauderfehn.