Erinnerung an die Schlacht von Verdun – aus Feinden wurden Freunde

Merkel und Hollande in Verdun

Tausende Jugendliche aus Deutschland und Frankreich haben bei einer bewegenden Zeremonie im Beisein von Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande an die Schlacht von Verdun erinnert. Die beiden Politiker entzündeten eine Flamme – und warnten vor nationalstaatlichem Denken.

Bei einer eindrucksvollen Zeremonie haben Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel der Opfer der Schlacht von Verdun 1916 gedacht. Vor dem Beinhaus von Douaumont, in dem die Knochen von 130.000 deutschen und französischen Soldaten ruhen, nahmen 3400 Jugendliche aus Deutschland und Frankreich an einer Inszenierung des Regisseurs Volker Schlöndorff teil.

In bunten T-Shirts rannten sie aus den umliegenden Wäldern über den Friedhof vor dem Beinhaus, stürmten vorbei an den weißen Kreuzen und simulierten Zweikämpfe, bis ein Sensenmann auf Stelzen das Feld betrat. Die Jugendlichen sanken zu Boden, der Sensenmann entfernte sich – und die jungen Menschen erwachten zu neuem Leben.

Merkel und Hollande ließen sich anschließend neben den Gräbern von einigen Kindern mithilfe von Smartphones deren Familiengeschichten mit Bezug zum Ersten Weltkrieg erzählen. Danach entzündeten die beiden Politiker in der Gedenkstätte die ewige Flamme, ehe die Nationalhymnen beider Staaten erklangen. Merkel und Hollande verharrten einige Minuten vor der Flamme.

In ihrer Rede würdigte Merkel die Errungenschaften der deutsch-französischen Aussöhnung. „Verdun lässt uns nicht los, Verdun kann uns nicht loslassen“, sagte sie. Die Stadt sei heute ein „Symbol der deutsch-französischen Aussöhnung“.

Merkel spann den Bogen zum Zweiten Weltkrieg und erinnerte an das „unsägliche Leid“, welches das nationalsozialistische Deutschland über Europa brachte. „Da kam es einem Wunder gleich, dass sich mit dem Élysée-Vertrag von 1963 das Tor zu Annäherung öffnete“, sagte die Kanzlerin mit Blick auf den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag.

Mit der Einigung habe Europa die Gräben der Feindschaft hinter sich gelassen. „Rein nationalstaatliches Denken und Handeln würde uns zurückwerfen“, warnte Merkel, „das gilt für die Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise oder für den Umgang mit den vielen Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, wie auch für alle großen Herausforderungen unserer Zeit.“

Hollande hob die Bedeutung der europäischen Einigung hervor. „Die Kräfte der Spaltung, der Abriegelung, der Abschottung sind wieder am Werk“, sagte er. „Sie denunzieren Europa als Ursache des Übels und vergessen dabei, dass Europa aus dem Unglück geboren wurde“, ergänzte er unter Verweis auf die beiden Weltkriege. Er erinnerte daran, dass die Europäische Union für viele Völker, die von Frieden träumten, eine Referenz bleibe.

Am Vormittag hatten Merkel und Hollande an dem nahe Verdun gelegenen deutschen Soldatenfriedhof von Consenvoye einen Kranz niedergelegt. Auf dem Friedhof sind die sterblichen Überreste von mehr als 11.000 bei der Schlacht getöteten deutschen Soldaten bestattet.

Anschließend besuchten Merkel und Hollande das Rathaus von Verdun. Der Name Verdun stehe „für unfassbare Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges wie auch für die Lehren daraus und die deutsch-französische Versöhnung“, sagte Merkel während der dortigen Zeremonie. „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann auch Lehren aus ihr ziehen und damit dann eine gute Zukunft gestalten.“

In Verdun sei die Erinnerung an die Schlacht „allgegenwärtig“. Dass sie als deutsche Kanzlerin in dieser Stadt trotzdem einen so freundschaftlichen Empfang bekomme, sei „alles anderes als selbstverständlich“.

Hollande sagte, Verdun stehe für das „Schlimmste“, aber auch das „Beste“ in der Geschichte Europas. Die Stadt beschränke sich nicht auf einen „Totenkult“, sondern betreibe eine wahre „Friedensmission“. Das sei der „Geist von Verdun“. Beide überreichten dem Bürgermeister von Verdun, Samuel Hazard, den diesjährigen Adenauer-de-Gaulle-Preis, der Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft auszeichnet.

Die Schlacht um Verdun von Februar bis Dezember 1916 mit mehr als 300.000 Toten gilt als Sinnbild für die Grausamkeit des Ersten Weltkriegs. Zugleich steht Verdun für einen Meilenstein der deutsch-französischen Freundschaft: Vor dem Beinhaus von Douaumont gedachten 1984 der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Präsident François Mitterrand Hand in Hand der Kriegstoten und besiegelten mit dieser historischen Geste die Versöhnung der einstigen „Erbfeinde“ Deutschland und Frankreich.