Ehrenabitur für Albrecht Weinberg

Im Rahmen der diesjährigen Abiturfeierlichkeiten an „seinem“ Gymnasium wurde dem Namensgeber Albrecht Weinberg am 3. Juli 2021 das Ehrenabitur verliehen.

Herr Weinberg, dem in seiner Jugend ein Schulabschluss aufgrund der mit der Nazi-Gewaltherrschaft einhergehenden Judenverfolgung verwehrt blieb, wurde in bewegenden Reden der Schülersprecher Hannah Coordes und Christoph Bollen auf die verspätete Zeugnisausgabe vorbereitet. Hannah sagte u.a.:

„In den vergangenen Jahren haben Sie uns Schülerinnen und Schülern immer wieder Ihre Geschichte erzählt, für uns haben Sie das Grauen, das Ihnen widerfahren ist, erneut durchlebt, um uns etwas beizubringen, das so viel wichtiger ist als viele der schulischen Inhalte: Was es bedeutet, ausgegrenzt und gehasst zu werden, dass Respekt und  Achtung vor unseren Mitmenschen wichtiger sind denn je, und vor allem, dass wir eine Stimme haben, die im Angesicht großer Ungerechtigkeit nicht verstummen darf. Ihr Beitrag zu unserer Bildung hat nichts zu tun mit auswendig gelernten Formeln oder der richtigen Rechtschreibung. Ihr Wissen stammt nicht aus Büchern, sondern ist das Ergebnis einer unglaublichen Lebensgeschichte und heute möchten wir Sie für Ihr Engagement und Ihren unermüdlichen Einsatz ehren.“

Christoph unterstrich, wie sich Weinbergs Jugend von der der heutigen Abiturient*innen unterschied:

„Im Alter von 11 Jahren wurden wir hier am Gymnasium eingeschult. Im selben Alter musste Albrecht Weinberg auch einen Schulwechsel vollziehen. Nicht weil es auf die nächste Schulform ging, sondern weil er als Jude von seiner bisherigen Schule vertrieben wurde und von da an eine Schule für jüdische Kinder in Leer besuchen musste.

Als Herr Weinberg dann so alt war wie wir, als es für uns in der 8. Klasse auf Klassenfahrt zum Segeln aufs Ijsselmeer oder an die Ostsee ging, wurde er zusammen mit seiner Schwester nach Groß Breesen ins Arbeitslager deportiert.

Zu dem Zeitpunkt, an dem die ersten von uns mit dem eigenen Auto die Gegend hier auf eigene Faust erkundeten, ging es für Albrecht Weinberg von Berlin aus ins Konzentrationslager.“

Sodann hob der Schülersprecher die besonderen Charakterzüge Weinbergs hervor, die die Begegnung mit ihm für die heutige Jugend so einzigartig und wertvoll mache: Versöhnlichkeit, Offenheit und Humor. Schließlich verglich er Herrn Weinberg mit einem „lebenden Fossil“:

„Wenn Sie Ihre Geschichte erzählen, dann machen Sie die vergangene Zeit für uns greifbarer. Es sind nicht nur Texte in unseren Geschichtsbüchern, die man nach einer Woche wieder vergessen hat. Es sind keine Bilder aus der Zeit des zweiten Weltkrieges, zu denen man keine Verbindung aufbauen kann. Es sind Ihre Geschichten, Ihre Vergangenheit, die Sie uns präsentieren und denen Sie eine Persönlichkeit geben. Sie geben dem Ganzen ein Gesicht und nun trägt seit Neuestem die ganze Schule Ihr Gesicht im Logo. Und für all das, was Sie für unsere Schule getan haben, was Sie für uns als Schüler getan haben, möchten wir als Schulgemeinschaft uns noch einmal mit dem bedanken, zu dem Sie in Ihrer Jugend nie die Möglichkeit bekamen: Ihrem Schulabschluss.“ 

Die Schulleiterin Frau Janssen überreichte daraufhin dem sichtlich bewegten Albrecht Weinberg sein Abiturzeugnis, nachdem sie den Zeugnistext verlesen hatte:

Es gab stehende Ovationen für den 96jährigen, der die Ehrung mit sichtlicher Rührung, aber auch verständlicher Genugtuung entgegennahm.