Zwischen alten Steinen und drohender Lawa
Mein Job-Shadowing in Santa Maria Capua Vetere oder wie funktioniert Lateinunterricht am Originalschauplatz – zwischen alten Steinen und drohender Lawa?
Vom 8.4. bis 15.4.2025 habe ich quasi eine Zeitreise in eine andere Epoche unternommen, ich hatte die einmalige Gelegenheit im Lateinunterricht zweier italienischer Kolleginnen zu hospitieren und zwar nahezu am Fuße des Vesuvs auf Tuchfühlung mit den antiken Originalschauplätzen.
Die krassesten Erkenntnisse zur Didaktik und Methodik des Lateinunterrichts, die ich gewonnen habe:
– den interdisziplinären Ansatz – mir wurde deutlich, wie weit und vor allem wie organisch ein durchgängiger fächerübergreifender Ansatz umgesetzt werden kann und wie die Schüler diesen Ansatz selbstverständlich in ihr Denken integrieren. Beispielsweise die Herangehensweise an die Einwanderungsfrage im Hinblick auf die Haltung des Gastlandes durch die Herleitung der lateinischen Wörter „hospes“ und „hostis“.
– die Möglichkeit, Latein als Unterrichtssprache zu verwenden, über Begrüßungen und einzelne Phrasen wie „Sedete!“ hinaus. So als wenn es ganz normal wäre …
– die Einführung eines grammatischen Phänomens durch eigene Anwendung statt durch die Analyse eines lateinischen Textes, bis hin zur Erstellung eigener kreativer Texte auf Latein.
Gemeinsam mit einem italienischen Kollegen habe ich eine Unterrichtseinheit zum Thema Latein-Deutsch-Italienisch konzipiert, die auf der linguistischen Analyse eines Auszugs aus einem Pliniusbrief über den Ausbruch des Vesuvs basiert – ich bin schon ganz voller Eifer, diese im nächsten Schuljahr umzusetzen und mich dann mit meiner italienischen Kollegin auszutauschen, die dies ebenfalls tun wird. Wenn alles glatt geht, werden wir eine Latein-Deutsche-Italienische Audiodatei als Endprodukt erhalten. Wer also noch etwas Beruhigendes oder Stimmungsvolles und gleichzeitig Anspruchsvolles zum Einschlafen braucht – Ihr dürft gespannt sein!
Ich habe eine Schulexkursion nach Gaeta, von dessen Existenz ich bis dahin noch gar nichts wusste, begleitet und an der dortigen Führung teilgenommen. Ein magischer Ort – für mich der schönste auf der Welt (bis jetzt)!
Ganz spontan hatte ich die Möglichkeit den Unterricht kurz zu übernehmen und einen Vortrag über meine Schulform, meine Schule und mein Heimatland Ostfriesland zu halten – dabei stellte sich schnell heraus, wie interessiert die Schüler*innen an unserer Art von Menschsein sind – Was macht einen Ostfriesen aus und wie sehr unterscheidet der sich eigentlich von einem Süditaliener? Der Vergleich der Traditionen meiner ostfriesischen mit ihrer neapolitanischen Heimat war mega spannend, auch wenn ich sehr um das passende Vokabular ringen musste, am Ende haben wir gemeinsam Martinilieder gesungen … Ich habe auch meine eigene Heimat 1800 km entfernt noch mal ganz neu kennen und lieben gelernt.
Darüber hinaus konnte ich meine kulturelle Bildung, insbesondere in Latein, an vielen antiken Monumenten und archäologischen Stätten vertiefen: Gaeta und Sperlonga mit der Höhle des Polyphem, dem Kolosseum, dem Forum Romanum, Pompeji, dem Amphitheater und dem Museum von Santa Maria Capua Vetere.
Und ich habe lange noch nicht alles gesehen – für mich ist jetzt schon klar, dass ich wiederkommen werde – iterum atque iterum!
Tina Redenius
Das Job-Shadowing wurde kofinanziert von der EU im Rahmen des Bildungsprogramms Erasmus+. Für die Teilnahme wurde ein Europass Mobilität ausgestellt.